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HEER
Aushebung der Truppen


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Rekrutierung in der Spätantike

In der Spätantike wurde es für das Militär immer schwieriger ausreichend Soldaten zu rekrutieren. Die Gründe hierfür waren vielschichtig

1. ein grösseres Heer (die konstantinische Armee umfasste auf dem Papier eine halbe Million Mann! Auch wenn dies nur nominell war, gab es wesentlich mehr Soldaten als selbst zu Trajans Zeiten)
2. allgemeine Bevölkerungsabnahme (durch Seuchen, Kriege, Hungersnöte) verringerten das Rekrutierungspotenzial
3. Änderung in der Kriegstaktik (vermehrt Kavallerie anstatt Infanterie; nicht jeder war dafür geeignet souverän im Sattel zu sitzen und im hitzigsten Gefecht eins mit seinem Pferd zu sein)
4. mangelnde Identifikation mit dem Gesamtreich (warum sollte man an entlegenen Schauplätzen kämpfen, wenn es zuhause bei der Familie ebenfalls eine akute Bedrohung gab? bzw. warum sollte man unter "barbarischen" Kommandanten kämpfen, die ohnehin nur ihre eigenen Ziele verfolgten?)
5. wirtschaftliche Interessen der Grossgrundbesitzer (die fähigsten Männer sollten das Ackerland bestellen, die untauglichsten konnte die Armee haben)
6. zeitweiser Ausschluss von Soldaten mit der "falschen" Religion - zunächst Christen, später Heiden - vom Militärdienst (heidnische Offiziere durften etwa keine Christen kommandieren)

Angesichts dieser Entwicklung verwundert es kaum, dass die Anforderungen immer mehr heruntergeschraubt wurden. Das offizielle Eintrittsalter betrug zwischen 19 und 25 Jahren. Veteranensöhne konnten bis 35 eingezogen werden. Die Mindestgrösse wurde 367 n.Chr. auf 5,5 Fuss (163 cm) reduziert und im 5.Jh. vollkommen freigegeben.

Die diokletianischen Reformen änderten auch den Charakter der Rekrutierungen. Wie in den wichtigsten Wirtschaftszweigen, zwang man nun die Söhne von Soldaten den Beruf des Vaters zu ergreifen - unabhängig davon, ob sie dafür taugten oder nicht. Einzig Sklaven, Senatoren und städtische Beamte waren von der Wehrpflicht ausgenommen.

Da trotz dieser Massnahmen nicht genügend "Material" aufgetrieben werden konnte, griff man auf die seit den Anfängen Roms bestehende Wehrpflicht zurück. Mittlerweile gab es auch keine Unterschiede mehr zwischen Italien und den Provinzen. Jährliche Aushebungen wurden ähnlich der Steuereintreibung vorgenommen. Jeder Siedlung wurde ein gewisses Kontingent an zu stellenden Männern auferlegt. Sicherzustellen war dies durch die grossen Landeigentümer.

Um der Rekrutierung zu entgehen, verstümmelten sich nicht wenige - der mittlerweile an die Scholle gebundenen Kleinbauern - an den Gliedmassen (etwa durch ein Abhacken von Fingern). Manchen nutzte auch das nicht, da sie nun von den Grossgrundbesitzern vorrangig an das Militär "verscherbelt" wurden. So konnten sie sich "elegant" aller nur eingeschränkt arbeitsfähigen Feldarbeiter entledigen. Korrupte Rekrutierer, welche selbst die gelockerten Anforderungen missachteten, verdienten sich dabei ein Zubrot. Eine andere Geldquelle war der eigentlich verbotene Freikauf. Mit genügend Geld konnte ein Wehrpflichtiger dem Dienst entgehen. An seiner Stelle verpflichtete man Fremde (die einen Teil des Geldes dafür erhielten). Da nicht wenige desertierten oder schon vorab flüchteten, durchkämmten Presspatrouillen das Umland um sie aufzuspüren.

Einige Christen hoben den religiösen Charakter des militärischen Eides hervor und weigerten sich einen solche zu leisten; zumal mit dem Wort sacramentum Namensgleichheit mit jenem der Taufe bestand. Als nach der konstantinischen Wende das Christentum auch im Militär Zulauf fand, wurde der Rekrutierungspool zwar kurz ausgeweitet, doch schon bald verkehrten sich die Zustände. Heiden war es bald verboten Christen zu kommandieren und schliesslich waren sie auch allgemein vom Militärdienst ausgenommen.

Einmal für tauglich befunden (die alten auf Qualität bedachten Rekrutierungsstellen gab es nicht mehr), erhielt der Rekrut eine Bestätigung für den Einzug zum Militär (d.h. er konnte von keiner anderen z.B. zivilen Stelle mehr zwangsverpflichtet werden) und die bleierne Erkennungsmarke. Deserteure oder Aushebungsflüchter konnten nach ihrem Aufgriff mit dem Brandeisen an Hand oder Arm "markiert" werden; was künftige Desertion natürlich erschwerte. Um eine solche zu verhindern, sperrte man Rekruten auf dem Weg zu ihren Kasernen teilweise nächtens ein.

Um das gesunkene Niveau zu heben, begann man im 4.Jh.n.Chr. mit der offiziellen und freiwilligen Hereinnahme von "Barbaren" in den Militärdienst. Gegen Geld waren viele Angehörige von Germanenstämmen bereit in der römischen Armee zu dienen; nicht nur in den Hilfstruppeneinheiten. Mitte des Jahrhunderts war der Anteil an römischen Soldaten unter die Hälfte gesunken. Selbst das Offizierskorps wurde von Germanen und Sarmaten dominiert.

Um den vermehrten Bedarf an Reitersoldaten zu decken, bot man 326 n.Chr. Veteranensöhnen an, gleich in die Kavallerie zu wechseln (diese war besser bezahlt & auch der Dienst war menschenwürdiger), wenn sie über ein eigenes Pferd verfügten. Hatte er zwei Stück und einen Sklaven dazu, dann durfte er bereits als circitor (ein Chargenrang) eintreten.

Auch ein Weg um an Kavalleristen zu gelangen, war die Anheuerung von bucellarii (Privatsöldner im Pulk). Halbamtliche Kriegsherrn nutzen diese um entweder eigene Politik zu betreiben oder mit dem Verkauf an die Behörden Gewinne zu erzielen.

Endgültig zusammen brach das Rekrutierungssystem nach der Niederlage im Perserkrieg 363 und der Schlacht bei Adrianopel 378. Die Verluste waren derart hoch, dass der römische Anteil an Soldaten von nun an verschwindend gering ausfiel. Zudem bedeutete der Prestigeverlust Roms eine Abnahme der germanischen Freiwilligen.

Als Notlösung griff man zur verhängnisvollen Praxis der Verpflichtung ganzer Germanenkontingente unter ihren eigenen Führern - allen voran den Goten. Damit erkaufte man sich mit der Lösung des Problems sogleich die Schaffung eines neuen. Nun verlangten die germanisch dominierten Truppen nicht nur Gold als Sold, sondern auch Land als Föderaten. Ab dem 5.Jh.n.Chr. konnte nur auf diesem Weg eine schlagkräftige Armee organisiert werden. Kaiser Theodosius schickte 20.000 Goten gegen eine von Germanen und Alanen dominierten weströmische Armee unter der Führung eines Franken.

Von nun an regelten sich die germanischen Heerführer unter dem Anschein römischer Oberherrschaft ihre Angelegenheiten bereits selbst. Dementsprechend rekrutierte man die benötigen Soldaten aus den eigenen oder verwandten Volksstämmen und bediente sich der eindringenden Steppenvölker als Hilfstruppen.

Nach dem Zusammenbruch des weströmischen Reiches schaffte man es in Konstantinopel die Aushebung der Truppen wieder zu zentralisieren und gewisse Qualitätsmassstäbe durchzusetzen. Erstaunlicherweise tauchen nun auch wieder vermehrt Freiwillige in der Armee auf und der Codex Iustinianus erwähnt auch nur diese. Limitanei (stehende Grenztruppen) und Comitatenses (Kavallerie, die allerdings nun auch fest garnisoniert wurde) ergänzten sich in ihren Garnisonsorten und dem Umland. Die Rekruten konnten nun wieder sicher sein, nicht an das Ende der Welt verlegt zu werden und durften in ihrer Freizeit einem Zivilberuf nachgehen. Ergänzung fand dieses System durch die erprobte Praxis der Anheuerung Söldner, vortrefflich aus den Grenzgebieten am Balkan und der Reitervölker.



Auch Rom wurde
nicht an einem
Tag erbaut.


Quellen: M.Junkelmann "Die Legionen des Augustus", Y.Le Bohec "Die römische Armee", P.Connolly "Die römische Armee", S.MacDowall & G.Embleton "Late Roman Infantryman 236-565 AD", S.MacDowall & C.Hook "Late Roman Cavalryman 236-565 AD" 

 

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(PL)