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Bibliotheken in den Diadochenreichen

Die Auseinandersetzung zwischen den Nachfolgern Alexanders wurde nicht nur auf dem Schlachtfeld ausgetragen. Antigoniden, Seleukiden und Ptolemäer versuchten auch auf dem Gebiet der Bildung sich gegenseitig zu übertrumpfen um sich in der Rolle des aufgeklärten Herrschers gefallen zu können. Den Sieg trugen schlussendlich die Ptolemäer mit ihrer Grossen Bibliothek in Alexandria davon. Aber auch in anderen Regionen des ehemaligen Alexanderreiches wurden ähnliche Einrichtungen aus dem Boden gestampft.

Bis zu den Eroberungszügen Alexanders waren die Mittel der Städte begrenzt gewesen, da sie wegen ihrer politischen Autonomie nur die umliegenden Ressourcen verwenden konnten. Nun war die Unabhängigkeit der einzelnen Städte vorbei und jede von ihnen gehörte zu irgendeinem grösseren Herrschaftsbereich. Diese neuen Herrscher konnten jetzt auf eigenen Schatzkammern zurückgreifen und auch grössere Projekte in Angriff nehmen.

Spätestens seit Antiochos III. (222 bis 187 v.Chr.) gab es in Antiochia eine Bibliothek. Sie ist - wie ihr grosses Vorbild in Alexandria - nur durch Quellen belegt. Ihr Standort kann mit Sicherheit im Königsviertel am Flussbogen des Orontes angenommen werden. Obwohl weit hinter der Alexandrinischen zurückstehend, zog sie allerlei Gelehrte und Wissenschaftler an. Der bekannte Gelehrte und Dichter Euphorion ging auf Einladung des Königs nach Antiochia um die Leitung der Bibliothek zu übernehmen. Über das weitere Schicksal der Einrichtung ist allerdings nichts mehr bekannt.

Um 200 v.Chr. gelangten die Attaliden-Könige in Pergamon zu Macht und Einfluss. Der aus einfachen Verhältnissen stammende Dynastiegründer Philetairos war ursprünglich in den Diensten des Alexandergenerals Lysimachos gestanden. Im Verlauf des ersten Diadochenkrieges erlangte er die Herrschaft über Thrakien. Am Anfang des 3.Jh.v.Chr. konnte er sein Herrschaftsgebiet auf Teile Kleinasiens ausdehnen, zu der die Stadt Pergamon gehörte.

Die dort von Lysimachos auf einer uneinnehmbaren Festung gelagerten Schätze fielen im weiteren dem Philetairos zu, der sich auf die Seite von Seleukos I. geschlagen hatte. Seine Nachfolger erweiterten das Reich und Pergamon wurde zu einer der blühendsten und schönsten Städte Kleinasiens.

Ihre niedrige Herkunft machten die Attaliden mit besonderer Förderung der Künste wett. Attalos I. (241 bis 197 v.Chr.) begeisterte sich vor allem für Malerei und Plastik. Er schaffte es eine herausragende Kunstsammlung anzulegen. Den Ptolemäern gefiel diese Konkurrenz nicht. Sie betrachteten Pergamon als den Hort von Emporkömmlingen. Ptolemaios V. (204 bis 180 v.Chr.) soll den Gelehrten Aristophanes aus Byzanz inhaftiert haben, weil dieses anklingen hat lassen, nach Pergamon zu gehen. Plinius zufolge untersagte Ägypten schliesslich die Ausfuhr von Papyrus in das Attalidenreich. Daraufhin entwickelten diese die Kunst der Tierhautpräparation weiter. Die Römer bezogen das Material ausschliesslich von dort und der verbesserte Werkstoff hiess damit schlichtweg pergamena (Papier aus Pergamon; dt. Pergament).

In diesem Selbstverständnis betätigte sich Eumenes II. (197 bis 160 v.Chr.) ebenfalls als Förderer der Künste. Sein Schwerpunkt lag in Literatur und Gelehrsamkeit. Dazu gehörte natürlich auch eine Bibliothek samt eigenem Forschungsinstitut. Im Gegensatz zu Antiochia, das weiträumiges Bauen ermöglichte, lag die Königsburg von Pergamon auf einem Berg. Da nicht genügend Platz für neue Grossbauten vorhanden war, adaptierte man dafür das Heiligtum der Athena, die bekanntlich schon immer eine Göttin der Weisheit war.

Zusätzlich zur Büchersammlung wurde eine Philologenschule eingerichtet und das Abwerben geistiger Koryphäen nahm teilweise groteske Züge an. Der Schulengründer Krates entwickelte seine Theorien in bewusstem Gegensatz zu den alexandrinischen Ansichten. Den endgültigen Sieg empfand man aber, als sich diese Lehren in Rom besser verkauften als die der Konkurrenz.

Dabei war dies lediglich einem Unfall zu verdanken. Eumenes II. hatte Krates um 168 v.Chr. als Botschafter nach Rom entsandt. Bei einem Spaziergang über dem Forum brach er sich ein Bein, weil er in eine ungesicherte Öffnung einer Wasserleitung gefallen war. Während seiner Genesung hielt er ständig Vorträge und machte damit die Römer mit seinen Theorien vertraut.

Wie das Vorbild in Alexandria entstanden nicht nur Bücherschränke, sondern Wandelhallen, ein Bankettsaal und Verwaltungsbüros. Bei Fertigstellung hatte man durch die Raumenge ein ungewöhnliches Bauwerk mit zweigeschossigen Hallen. Lokalisiert und identifiziert wurde die Bibliothek, die nur mehr in Resten der Grundmauern existiert, am Ende des 19.Jh. Trotz der schwierigen Fundlage konnten die Gebäude rekonstruiert werden.

links: rekonstruiertes Propylon (Torbau)
(c) e libro W.Hoepfner "Antike Bibliotheken", p.43
rechts: archäologische Überreste der Tempel- & Bibliotheksanlage
(c) e libro W.Hoepfner "Antike Bibliotheken", p.44

Autographen (Originalschriften) waren das besondere Sammelgebiet der Könige. Eugenes’ Agenten machten genauso wie ihre ptolemäischen Kollegen im ganzen hellenistischen Raum Jagd auf derartige Schriftrollen. Einmal erworben wurden sie in einem eigenen Raum gelagert, der als zentraler Baukörper der Bibliothek angelegt war. Dort stand auch eine 12 m grosse Statue der Athena; einer Kopie der Athena Parthenos des Phidias. Über die Inneneinrichtung kann heute nur mehr spekuliert werden und die Deutung der spärlichen Funde ist nach wie vor sehr widersprüchlich (Bibliotheks-, Bankett- oder Museumssaal).

Schriftrollen dürften in marmornen Nischen gelegen haben (Die Verwendung von Holz war wegen der Brandgefahr nicht nur hier vermieden worden). Entlang der Mauern gab es scheinbar eine Art Wasserrinne, die durch die Fenster eingedrungenes Regenwasser ableiten konnte. Bekanntlich vertragen Bücher kein Wasser... Die steinernen Schränke standen denn auch abgesetzt von der Aussenwand, wo sie nicht durch Feuchtigkeit beeinträchtigt werden konnten.

Herausragendster Raum war der Prunksaal, von dessen Reliefs leider nichts mehr erhalten geblieben ist. Am meisten übriggeblieben sind Teile des Speisesaales, in dem vermutlich wie in Alexandria regelmässige Treffen von Gelehrten stattfanden. Der König mischte sich gerne unter diese Gesellschaft.

Der römische Schriftsteller Vitruv schrieb in einem seiner Werke, dass die Bibliothek in Pergamon öffentlich zugänglich war. Sie war ganz sicher nicht jedem geöffnet, doch ist festzuhalten, dass die damalige Gesellschaftsstruktur noch von der grossen Polis-Vergangenheit zehrte und Vollbürgergesellschaften waren. Diese Gesellschaftsschicht hatte somit - wie es aussieht - freien Zugang.

Der Gesamtbestand der Bibliothek von Pergamon umfasste 200.000 Schriftrollen. Die meisten lagen natürlich nicht griffbereit in den zugänglichen Nischen, sondern in Magazinen, die schlichtweg apotheke (Lagerraum) oder kibotos (Kiste) genannt wurden.

Bestand und Wirken der Bibliothek verschwinden im Nebel der römischen Expansion in Griechenland. Zwar dürften die Bestände nicht einfach nach Rom abtransportiert worden zu sein, doch seit dem 1.Jh.v.Chr. versuchten reiche Römer sich in den Besitz derartiger Büchersammlungen zu bringen. Mit Mühe und Not schienen die Bibliothekare die Bestände wenigstens in ihrem Umfang aufrecht erhalten zu haben. Schliesslich vermachte Marcus Antonius die gesamte Bibliothek seiner Geliebten Kleopatra. Wann und wie der Transfer vor sich ging, lässt sich leider nicht mehr rekonstruieren.

Ptolemaios I. Soter gründete die Bibliothek von Alexandria, die Vorbild für alle anderen Grossbibliotheken jener zeit wurde

 



Quellen: W.Hoepfner "Antike Bibliotheken", L.Casson "Bibliotheken in der Antike", "Der kleine Pauly"

 

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(PL)